Im Gottesdienst sprach ich mit Heinrich Seiler über das Buch „Die Wahrheit über Eva“, das die Geschichte des Patriarchats beleuchtet, auch im Zusammenhang mit Religion. Im Nachgang hat er mir noch einige Gedanken geschickt, die hier publiziert werden. Weitere Gedanken, Nachfragen, Antworten dazu sind ausdrücklich erwünscht! Benutzen Sie dazu die Kommentarfuntion oder schreiben Sie an mich (martin.kuse@ref-hmw.org) oder an Heinrich Seiler direkt (h-seiler@outlook.de).
Nachlese zum Gottesdienst vom 29.August in Möriken
In diesem Gottesdienst stellte mir Martin Kuse einige Fragen im Zusammenhang mit dem Buch „Die Wahrheit über Eva“ von Carel van Schaik und Kai Michel. In diesem sehr lesenswertem Buch geht es um das Zusammenleben von Frau und Mann seit unserer Zeit als Jäger und Sammler, um die Entwicklung des Patriarchates und der patriarchalischen Religionen und der Kirche. Ich denke, eine sehr wichtige Frage ist, ob das Christentum die Bildung von patriarchalischen Strukturen in der Kirche begünstigte. Diese Frage muss nach meiner Meinung klar mit „Ja, und wie!“ und mit „Nein, im Gegenteil“ beantwortet werden. Warum dieser Widerspruch? Es wird in erwähnten Buch aufgrund historischer Fakten ganz klar herausgearbeitet, dass „die Botschaft des Mannes von Nazareth“, wie er von den Autoren oft genannt wird, und das, was die Kirche, vorerst mal die katholische, daraus gemacht hat, überhaupt nicht das Gleiche ist. Dort Jesus der die Menschen liebt, ihnen hilft, sie von Religion als Gesetzesdenken erlöst und zum Menschsein befreit, zu eigenem Suchen (wer sucht, der findet sagte er, und nicht: wer gehorcht, der findet!), den Menschen also durch seine Liebe mündig macht, und hier die Kirche, die vorschreibt was zu glauben ist, wie der Mensch sich zu verhalten hat, ihn damit klar unter das Gesetz stellt und damit entmündigt, bevormundet. Die Autoren nennen das Religion von oben, patriarchalisch orientierte Herrschaftsreligion wie sie schon vor Christus bestand. Ich denke, Jesus wollte keine Religion stiften, sondern eben den Menschen davon befreien.
Der römische Kaiser Konstatin erklärte dann aber die „christliche“ Religion zur Staatsreligion, nicht weil er besonders interessiert war an der Botschaft Jesu, sondern weil sich zu seiner Zeit in der Urkirche bereits patriarchalische Strukturen zu bilden begannen, Strukturen der Herrschaft, die ihm zu seiner eigenen Machtausdehnung und -festigung behilflich sein konnten.
Ein kleines Beispiel zur patriarchalischen Machtkirche: geschiedene und wiederverheiratete Menschen sind in der kath. Kirche von der Kommunion (Abendmahl) ausgeschlossen. Jesus hingegen setzte sich mit Sünder und Sünderinnen an einen Tisch und ass und trank und sprach mit ihnen!
Eine Bemerkung noch zum Begriff „Wort Gottes“. Dieser Begriff, ich lasse mich gerne belehren, ist meines Erachtens schlicht eine Erfindung der theistischen Theologie: Wenn man den Bibeltext als Gottes Wort hinstellt und zudem noch wörtlich nimmt, dann ist das auch eine Dogmatik, eine Zementierung: da gibt es nichts zu rütteln! Zudem ist „Das Wort Gottes“ im Alten (jüdischen) Testament nicht immer identisch mit demjenigen im Neuen (christlichen) Testament, Jesus hat da einiges umgestellt. Jesus hat sich nirgends als Sohn Gottes bezeichnet, sondern als Sohn des Menschen. (Göttersohne gab es schon im alten Ägypter!). Er spricht auch weniger von einem Gott als von unserem Vater, ein Begriff, der dem Menschen wesentlich näher steht und ein anderes Empfinden bewirkt als ein allmächtiger Gott ausserhalb von uns, der da in irgend einem Himmel schaltet und waltet.
Heinrich Seiler